Kolumne #22: Exklusive Audiogeräte

High-End-Investment

Besucher der „High End“ in München mochten ihren Augen – und Ohren – nicht trauen. Auf der Audiomesse war „Die teuerste HiFi-Anlage der Welt“ zu bestaunen. Gesamtwert: 3,5 Millionen Euro. Vor zehn Jahren, als solche Extravaganzen auf der Berliner „IFA“ noch üblich waren, schlug der Superlativ mit 800.000 Euro zu Buche. Kann es sein, dass die Preise sich mittlerweile vervierfacht haben? Das würde auf ein lukratives Investment schließen lassen.

Diese Kolumne erschien zuerst in GoodLife #188

Tatsächlich steigen die Kosten für exklusive Audiogeräte seit Jahren. Anno 1985 stellte ein Lautsprecherpaar des Typs Infinity Reference Standard (IRS) das Nonplusultra dar. Gut 70.000 D-Mark mussten Audiophile dafür hinblättern – entspricht heute inflationsbereinigt etwa 78.000 Euro. Für aktuelle Topmodelle von Focal, Sonus Faber oder Wilson Audio rufen die Hersteller ein Vielfaches auf. Allein die Anschlusskabel der Vorführanlage in München kosteten mehrere zehntausend Euro. Pro Meter versteht sich.

Diesen Anstieg können Inflation und angespannte Lieferketten allein nicht mehr erklären. Er hat andere Gründe. Ein augenfälliger: Bei der Gerätekonstruktion werden weder Kosten noch Mühen gescheut. Die HiFi-Schmieden setzen hochwertige Bauteile und teure Materialien ein. Sie fräsen das Verstärkergehäuse aus massiven Aluminiumblöcken und vergolden die Leiterbahnen. Widerstände oder Kondensatoren bestehen aus Tantal, Lautsprechermembranen aus Beryllium. Vinyl-Plattenspieler begegnen der leisesten Vibration ihres Drehtellers mit elektronischer Schwingungsdämpfung. Hinzu kommt die Produktion in Kleinserien: Statt automatisiert am Band werden solche Preziosen von Hand in Manufakturen gefertigt. Häufig noch unter der Ägide eines Firmenchefs, der die Marke selbst mit aufgebaut hat.

Es klingt paradox: Während jüngere Generationen sich von den HiFi-Türmen ihrer Großväter und Väter abwenden, erklimmen teure Audio-Komponenten immer neue Preisniveaus. Ganz einfach, weil der Markt es hergibt. In vielen Luxus-Segmenten – seien es Uhren, Autos, Immobilien oder Mode – hat sich der Wert der Anschaffung vom Nutzen weitgehend entkoppelt. Emotionen und Status spielen eine ebenso wichtige Rolle. Bei beiden handelt es sich um flüchtige Güter, wie der Blick auf den Oldtimer-Markt zeigt. Nach wilden Boom-Jahren ab 2010 sinken dort die Preise wieder. Als Geldanlage und Spekulationsobjekt taugt Papas Porsche 911 G nicht mehr – ein echtes Sammlerstück wie der Mercedes 300 SL Flügeltürer oder Ferrari 250 GTO hingegen schon. Für HiFi-Investitionen gelten ähnliche Regeln. Sie müssen das Zeug zur Ikone haben, wie die chromblitzenden Bausteine von Burmester in Berlin. Oder ihre McIntosh-Kollegen mit blau leuchtenden Pegelanzeigen aus den USA. Ein traditionsreiches Erbe schadet nicht: Linn aus Glasgow baut seinen Plattenspieler LP12 seit 1973. Zum 50. Jubiläum des legendären Turntables legte das schottische Unternehmen eine limitierte Edition auf (Bild). Sir Jonathan Ive, Apples ehemaliger Chefdesigner, hat 250 Exemplare einem Facelift unterzogen. Stückpreis des Sondek LP12-50: 60.000 Euro, Wertsteigerung wahrscheinlich. Um Musik in tadelloser Qualität zu hören, muss man aber kein Krösus sein. Das geht auch mit deutlich weniger Geld und ohne „die teuerste Anlage der Welt“.