Kolumne #9: Bots mit künstlicher Intelligenz

Oh Botobot

Technische Erfindungen haben schon oft den Alltag umgekrempelt – Dampfmaschine, Telefon, Automobil, Computer, das Internet. Gerade ist es wieder so weit: Künstliche Intelligenz tritt aus dem Schatten der Entwicklungslabore ins Licht der Öffentlichkeit. Sie tut das in Form von Chatbots, digitalen Assistenten, die am Bildschirm eingetippte Fragen beantworten oder Wünsche erfüllen. Der Online-Dienst „Dall·E 2“ etwa übersetzt geschriebenen Text in Illustrationen: „Male das fotorealistische Bild eines humanoiden Roboters an einer Staffelei, wie er einen anderen Roboter porträtiert“. Das Ergebnis sehen Sie weiter unten auf der Seite. Alternativ könnte es auch aussehen wie ein Kunstwerk von Claude Monet, Paul Klee oder Picasso, Hinweis in der Bildbeschreibung genügt.

Diese Kolumne erschien zuerst
in WohnDesign, Ausgabe 2/2023

Und dann ist da „ChatGPT“, ein scheinbar allwissender Bot, der gerade weltweit Aufsehen erregt. Er versteht Zusammenhänge, erlaubt Nachfragen und formuliert seine Antworttexte erstaunlich menschlich – auf Englisch, Deutsch, Chinesisch und in vielen weiteren Sprachen. ChatGPT „erfindet“ auf Wunsch komplette Geschichten, erklärt Sachverhalte oder korrigiert falsche Befehle im HTML-Code einer Webseite. Er greift dazu auf einen riesigen Datenpool aus dem Internet zurück, mit dem ihn seine Entwicklerfirma trainiert hat. Sowohl Dall·E 2 als auch ChatGPT gehören OpenAI, einer Unternehmung des Tesla-Gründers und Twitter-Inhabers Elon Musk. Neben Mitgründer Sam Altman sind aber noch weitere Investoren wie Amazon und Microsoft beteiligt. Wenn der Microsoft-Konzern, wie erwartet, seine Investition um 10 Milliarden Dollar aufstockt, wird OpenAI zu den wertvollsten Start-ups der USA gehören.

Schon heute lassen US-Medien wie Cnet oder die Washington Post manche News-Meldungen von KI-Systemen schreiben. Das kalifornische Unternehmen Donotpay setzt ChatGPT als Roboteranwalt ein, um Strafzettel anzufechten oder Verträge auszuhandeln. Im Februar soll der Bot erstmals einen Klienten vor Gericht vertreten: Bluetooth-Kopfhörer flüstern dem Angeklagten dann KI-Antworten für die Selbstverteidigung ins Ohr. Klingt nach Science-Fiction, wird aber zunehmend real. Genauso wie Schulaufsätze, Klausuren und Doktorarbeiten, die künftig ein Bot schreiben könnte. Ob unsere Gesellschaft darauf vorbereitet ist? Wohl kaum. Eine Verwaltung, in der Behörden sich noch Faxe schicken, dürfte den Klagewellen entfesselter KI-Anwälte recht hilflos gegenüberstehen. Problem dabei: Was ChatGPT verzapft, mag plausibel klingen, muss aber nicht wahr sein. Forschende, die das System geprüft haben, fanden jede Menge falsche Quellenangaben oder komplett erfundene Sachverhalte, die nur mit Fachwissen zu entlarven waren. Viel Stoff für Fake News also, in Gesellschaften, die sich zunehmend schwerer auf eine Faktenbasis einigen können. Aber jammern und fürchten hilft nichts. Bots werden für KI vielleicht das, was Suchmaschinen für das Internet waren: ein Werkzeug, das die Technologie allen zugänglich machte. Je früher wir das erkennen, desto besser.