Nicht alle Taschen im Schrank
Frauen wird manchmal unterstellt, sie würden Taschen zum Fetisch erheben. Dabei kann ich als Mann die Begeisterung für gut gemachtes Tragwerk verstehen. Besonders, wenn es sich um Transportmittel für den Gerätepark handelt, den digitale Nomaden heutzutage herumschleppen: Notebook, Kopfhörer, Tablet, Smartphone, Ladegerät (oft gleich mehrere davon) sowie zahllose Kabel für die unterschiedlichsten Anschlüsse. Von Zubehör wie Powerbank und Adaptersteckern ganz zu schweigen.
Mit der Zeit habe ich eine gewisse Obsession dafür entwickelt, dieses Instrumentarium bestmöglich zu verstauen und dabei auch noch vernünftig auszusehen. Eine Herausforderung, weil der Blick in jede Gepäckabteilung oder Online-Boutique beweist: Das Angebot an Damenhandtaschen ist ungleich größer als die Auswahl notebookfähiger Behältnisse. Wer nicht wie ein Jungschar-Ausflügler auf Wanderfreizeit wirken will, landet früher oder später beim US-Label Tumi. Die Taschen aus ballistischem Nylon sind praktisch unkaputtbar und haben den Vorteil, dass man für Verschleißteile wie das mit Velours beflockte Schulterpolster am Trageriemen auch nach Jahren noch Ersatz bekommt. Der schwarze Gewebepanzer schützt das Innenleben wie eine kugelsichere Weste. Allerdings trägt auch James Bond kein Flak Jacket zum Anzug. Für den gediegenen Auftritt ist ein Material, das weniger an Motorradkleidung und Tankrucksäcke erinnert, besser geeignet. So wuchs mein Fundus im Laufe der Jahre. Es kamen Taschen aus Leder und anderen Stoffen hinzu – schmal und kompakt für den Tagesausflug zum Kunden, der wenig Ausrüstung verlangt. Allroundgrößen, in denen Proviant für eine längere Bahnfahrt Platz hat – falls der Zug mal wieder umgeleitet wird. Und Notebook-Rucksäcke, mit denen das ganze mobile Büro verreist. Nicht zu vergessen: Necessaires für Kabel und Zubehör, damit diese schnell von einer Hülle in die nächste umziehen können. Groß, klein, zum Umhängen oder Unterklemmen, in Cognacfarben, Dunkelbraun, Schwarz und Marineblau: Die eine Tasche für alle Gelegenheiten gibt es nicht, da bin ich ganz bei den Frauen. Nur das passende Gepäck zum richtigen Zweck.
Es müssen keine Diplomatenköfferchen von Hermès oder Louis Vuitton sein. Drei Firmen begeistern mich immer wieder: Mismo aus Kopenhagen, deren Canvas-Gepäck mit wenigen, hochwertigen Leder-Applikationen auskommt. Hardgraft in London, die ihre zeitlosen Stücke von toskanischen Gerbereien und Sattlereien beziehen. Und meine Lieblingsmanufaktur Lotuff aus Neuengland, mit ihrer unvergleichlichen Leder- und Verarbeitungsqualität. Leider hat Lotuff keinen Vertrieb in Europa, sodass jedes Stück einzeln aus den USA importiert werden muss. Sonst hätte ich vielleicht schon mehr gekauft. Denn wenn es um den Transport meiner Technik geht, habe ich längst noch nicht alle Taschen im Schrank.