Trau, schau, wem
Saint Laurent verkauft jetzt auch Elektrogeräte. Sie haben richtig gelesen: Das Pariser Modehaus, gegründet 1961 von Yves Saint Laurent, hat neuerdings einen Video-Beamer im Programm – neben anderen Lifestyle-Accessoires wie Lautsprechern, Surfbrettern, Skateboards, Skiern und E-Bikes. Von Petitessen wie Kugelschreibern, Notizblöcken und Thermobechern ganz zu schweigen. Zwar läuft das Sortiment offiziell unter dem Label „Rive Droite“, mit dem man auch Bücher, Schallplatten und Kunstausstellungen unter die Leute bringt. Aber die artfremden Produkte sind allesamt mit dem prestigeträchtigen Schriftzug „Saint Laurent“ versehen. Damit wecken sie Begehrlichkeit in einer Zielgruppe, die sich über technische Details keine Gedanken machen möchte. Image und Name des ehrwürdigen Yves genügen.
Nicht falsch verstehen: Der Beamer mag ein großartiger Videoprojektor sein. Er wird in China von einem Unternehmen mit dem unaussprechlichen Namen XGIMI hergestellt. Als Marke ist das Firmenkürzel praktisch unbekannt, weshalb jedes halbwegs renommierte Mode-Label eine Verbesserung für die Chinesen darstellt. Mit Saint Laurent konnten sie einen Coup landen. Doch was sagt Anthony Vaccarello dazu? Hat der Kreativdirektor von YSL das Produkt in Augenschein genommen, ehe es derart aufgelabelt wurde? Eher nicht. Mit all den Duftkerzen, Badetüchern und Schlüsselanhängern im Katalog hätte er auch viel zu tun. Und so sieht der Beamer eben aus wie ein Beamer: quaderförmig, mit einem Textilcover auf der Front, das während des Betriebs nach unten fährt und die Projektionslinse freigibt.
Die Laurent-Edition unterscheidet sich vom Original nur durch einen milchkaffeebraunen Lederbezug. Als hätte der Firmengründer 1966 für seinen revolutionären Damenanzug „Le Smoking“ einfach ein Modell von der Stange aus der Herrenabteilung genommen, den Stoff geändert und seinen Namen draufgeklebt.
Zum Preis macht die Internetseite keine Angaben. Er dürfte aber deutlich über den 1.900 Euro des XGIMI-Originals liegen. Schließlich schlägt bereits ein BIC-Kugelschreiber im schwarzen Laurent-Look mit 50 Euro zu Buche. Die Serienversion aus silbernem Metall kostet nur einen Zehner. Dieses Ummünzen eines bekannten Namens ist nicht neu. Pierre Cardin, wahrscheinlich der finanziell erfolgreichste Modeschöpfer des 20. Jahrhunderts, hat das Prinzip der exzessiven Lizenzierung erfunden. Er räumte anderen Firmen gegen Bezahlung das Recht ein, seinen Namen auf ihre Produkte zu setzen. Und er verdiente ein Vermögen damit: Laut eigener Aussage erteilte Cardin zu Lebzeiten mehr als 800 Lizenzen. Die Marke prangte zeitweilig auf Unterhosen von Lidl, auf Bratpfannen, Mineralwasser, USB-Sticks … Und der Name hat dadurch so gelitten, dass es in der Markenlehre einen französischen Begriff für die imageschädigende Wirkung von Lizenzen gibt: „Cardinisation“. Das könnte Saint Laurent eine Warnung sein, wenn es dem Management nicht nur ums Geld geht. Denn Firmen, die Video-Projektoren herstellen, existieren viele. Doch es gibt nur ein Yves Saint Laurent.