Kolumne #8: Mit dem Smartphone auf Reisen

Hin und weg

Vor Kurzem war ich beruflich in Amsterdam. Es wurde ein Trip in die Zukunft des Reisens, denn vieles scheint dort weiter als bei uns. Deutschland hadert mit der Digitalisierung, was auch ein Blick auf die Smartphone-Apps der Bahn zeigt. Es gibt eine Menge davon – vom DB Navigator über den DB Next Navigator, DB Ausflug, DB Bahnhof live und DB Bahn-Bonus bis hin zum DB Zugportal. Beim Versuch, sich in diesem Angebot zurechtzufinden, können Zugreisende schon mal das Umsteigen vergessen. Aber das soll hier kein billiges Bahn-Bashing werden. Meine ICE-Verbindung von Stuttgart nach Amsterdam war pünktlich und der Komfort-Check-in per App hat gut funktioniert. Trotzdem erschien mir das Passieren der Schranke am Zielbahnhof Amsterdam Centraal wie der Übergang in ein neues Zeitalter.

Diese Kolumne erschien zuerst
in WohnDesign, Ausgabe 1/2023

Unbegründet die Befürchtung, nicht ausreichend Bargeld eingepackt zu haben. Jede Espressobar, und sei sie noch so klein, akzeptiert ohnehin nur Kartenzahlung und Dienste wie Apple Pay. „No Cash“ steht überall auf den Tresen. Der Nahverkehr, ob Metro, Bus oder Tram, wird mit Barcode auf dem Smartphone betreten. Alternativ mit einer Chip-Karte, deren Pappversion man sich als Tourist am Automaten ziehen kann – bargeldlos versteht sich. Doch mein citizenM-Hotel stellte alles in den Schatten. Es gehört zu einer niederländischen Kette, die „bezahlbaren Luxus für moderne Reisende“ bieten will. Ein Anspruch, der sich unter anderem in farbenfrohem Design, bequemen Betten und 24-Stunden-Gastronomie niederschlägt – sowie in einer eigenen App. Das Programm pilotiert Gäste durch den Aufenthalt. Das fängt bei der Buchung an und geht mit digitalem Check-in weiter. Vor oder während der Anreise lassen sich Rechnungsdaten und Kreditkarte hinterlegen. Beim Betreten des Gebäudes zur angegebenen Zeit ist das Zimmer dann bereit. Wer von früheren Aufenthalten in einem citizenM noch die Schlüsselkarte besitzt, hält sie an sein Smartphone, das die Keycard als Türöffner codiert. Wer ohne Karte anreist, bekommt sie vom Personal vor Ort ausgehändigt. Die sogenannten Ambassadeure helfen auch weniger Smartphone-affinen Gästen oder solchen, die mit dem Self-Check-in an bereitgestellten Computern Probleme haben.

Im Zimmer geht die digitale Reise weiter. Die App steuert Beleuchtung, Klimaanlage und Jalousien. Sie bedient den Fernseher und stellt bei Bedarf einen Wecker, der zur gewünschten Zeit das Morgenszenario mit Licht und Sound aktiviert. Zusätzlich gibt es in allen Zimmern iPads, die den Job ebenfalls erledigen, und Wandschalter für die wichtigsten Funktionen. Bestellen im Hotelrestaurant? Natürlich digital am Tisch mit der Hotel-App. Bei Eingabe der Zimmernummer wird der Betrag aufs Übernachtungskonto gebucht und kann im Zuge des Check-outs beglichen werden, wieder digital. So genügten zwei Dinge für die Reise: das Telefon und eine EC-Karte für Kleinigkeiten, die sich nicht per Smartphone bezahlen lassen. Ich bin hin und weg; in doppelter Bedeutung. Denn einerseits fasziniert so eine „Customer Journey“, wie es im Marketingsprech heißt. Andererseits wird sie ganze Branchen verändern. Ist der Zug aufzuhalten? Wohl kaum. Für Bahntickets gehe ich ja auch nicht mehr ins Reisezentrum und bekomme dort von einem Schalterbeamten gedruckte Fahrscheine ausgehändigt.